Menschen mit Demenz zuhause
Frühzeitiger Kontakt zwischen Angehörigen und Institutionen verbessert die Betreuungsqualität
Die Pflege und Betreuung der Menschen mit Demenz zuhause ist eine komplexe Herausforderung für alle Beteiligten. Das Anfangsstadium der Demenzerkrankung ist von Einschränkungen in der Alltagskompetenz infolge kognitiver Einbussen gezeichnet. Dies führt sehr oft zu Missverständnissen zwischen den Betroffenen und den nahestehenden Personen. Dies ist besonders schwer, wenn man bedenkt, dass in den meisten Fällen der Patient von einer einzelnen Hauptbetreuungsperson betreut wird. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um die Tochter, die Ehefrau und/ oder die Schwiegertochter, die die Betreuung übernehmen. Dazu kommt die Tatsache, dass Menschen mit Demenz infolge Schlafrhythmusstörungen und Hyperaktivität grundsätzlich einer 24-Stunden-Betreuung bedürfen. Für die betreuende Person kann das schnell zu Übermüdung, zu Schlafmangel und durch die zeitliche und räumliche Gebundenheit zur sozialen Isolation führen.
Da Menschen mit Demenz in der Beziehungsgestaltung an Kompetenz verlieren, zeigen sie sich zunehmend an die Betreuungsperson gebunden und üben Druck aus. Oftmals ist es so, dass der Pflegebedürftige es nicht akzeptiert, wenn Entlastung in Anspruch genommen wird oder wenn die Betreuungsperson Erholungsphasen braucht, sei es durch Besuche von Freunden oder Veranstaltungen, Vereinsaktivitäten, Hobbys usw. Andererseits verstehen Menschen mit Demenz häufig nicht die Notwendigkeit des Waschens, des Kleiderwechselns oder des Toilettengangs und reagieren mit Ängsten und/oder Aggressionen. Dies führt in der familiären Pflege immer wieder zu Spannungen und zu Nötigung seitens der Angehörigen. Besonders dort, wo emotionale oder finanzielle Abhängigkeit besteht, kann es zu prekären Situationen kommen.
Aus diesen und vielen anderen Grün- den ist es wichtig, dass die betroffenen Familien bereits bei einer beginnenden Demenzerkrankung die Fachstellen kontaktieren, auch dann, wenn deren Einsatz im Moment nicht nötig ist oder es nur geringen Aufwand braucht. Damit wird einerseits der Betroffene umfassend über die Möglichkeiten und Angebote in- formiert und andererseits auch eine gute Beziehung aufgebaut sowie Vertrauen hergestellt, welches zu einem späteren Zeitpunkt von unbezahlbarem Wert ist – nämlich dann, wenn der Pflege- und Betreuungsaufwand nicht mehr durch eine einzige Person sichergestellt wer- den kann. Dann kommt die professionelle Pflege zum Zug, deren Aufgabe nicht das Ausgrenzen der Angehörigen ist, sondern das professionelle Erfassen der Pflegesituation und das Identifizieren der Ressourcen. Gemeinsam mit der betroffenen Person und ihren Begleiter/-in- nen werden die wichtigsten Ziele und Schwerpunkte im individuellen Lebenskontext festgelegt, und es wird versucht, die Herausforderung in der Pflege und Betreuung der Menschen mit Demenz zu meistern.
Buch-Tipp
Über 40 Jahre sind Anna und Otto Nauer verheiratet. Nationalrat Otto Nauer will sein Mandat demnächst niederlegen; das Ehepaar freut sich auf den Ruhestand. Doch Anna Nauer bekommt Alzheimer. Ihr Mann pflegt sie bis zu ihrem Tod. Das Autorenduo Merki/Krämer zeigt am Beispiel der Leidensgeschichte von Anna Nauer, wie unerbittlich diese Krankheit die Persönlichkeit verändert. Die verschiedenen Situationen des Verfalls werden leicht verständlich erklärt und es wird aufgezeigt, welche Hilfe die Betroffenen in Anspruch nehmen können.
Kurt-Emil Merki, Günter Krämer, Anna und Otto Nauer: «Rückwärts! Und alles vergessen. Mit Alzheimer leben»
(Hoffmanns Sachbuch, Zürich)