Aus Liebe für die Pflegebedürftigen
Nach mehreren Berufsjahren in Alters- und Pflegeheimen ist Marianne Abate seit gut drei Jahren in der Spitex 60plus tätig. Verwöhnt vom «Luxus» der Heimarbeit, erfuhr sie in der Spitex schnell, welchen Stellenwert hier die Flexibilität und das Improvisationstalent haben: Nicht selten muss sie mit dem Hebelift und dem Rollstuhl in engen Räumen zurecht- kommen, dabei die Sicherheit für die Klientinnen und Klienten gewährleisten und rückenschonend arbeiten.
Die Hauptaufgabe von Frau Abate ist die Pflege und Betreuung der Klienten, wobei die sogenannte Bezugspflege dabei hilft, die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten besser zu erkennen. Als Pflegefachfrau ist Frau Abate für die Klientinnen und Klienten eine Vertrauensperson. Mit ihrem freundlichen, natürlichen Auf- treten, mit ihrer Geduld, aber auch mit ihrem Humor kann sie die Stimmung der Klientinnen und Klienten oftmals beeinflussen. «Unsere Klientinnen und Klienten brauchen kein Mitleid. Sie brauchen professionelle Pflege, Anerkennung und Respekt, wobei ein authentisches Auf- treten der Pflegefachperson sehr wichtig ist». Ein Teil ihrer Arbeit besteht aus der Grundpflege, d.h. Körperpflege, Ankleiden, Begleitung und Unterstützung beim Gehen etc. Einen anderen Teil macht die Behandlungspflege aus, also Medizinaltechnik wie Blutzucker messen, Injektionen und Wundversorgung. Nahe bei den Menschen zu sein, sagt Frau Abate, bedeutet auch, mit schwierigen und traurigen Situationen konfrontiert zu werden. «Wir erleben emotionale Höhen und Tiefen. Der Pflegeberuf ist vielseitig, und kein Tag gleicht dem anderen. In unserem Beruf ist die Liebe zu den pflegebedürftigen Menschen Voraussetzung», sagt Frau Abate und fügt hinzu:
«Ich hole jeden einzelnen Klienten bei jeder Begegnung von neuem in seiner individuellen Lebenssituation ab: emotional, im körperlichen oder seelischen Zustand. Ich helfe, unterstütze, leite an, übernehme, ermutige, lobe, höre zu. Ich begegne den Pflegebedürftigen mit Empathie, wäge Nähe und Distanz ab, nehme jede(n) ernst im menschlichen Sinne und verrichte meine Arbeit gemäss Pflegeauftrag.»
Jeden Tag lernt Frau Abate durch verbalen und emotionalen Kontakt mit den Spitex-Klientinnen und -Klienten dazu. Sie geben ihr Einblick in ihre Situation, sei es durch ihr Handicap, beispielsweise eine Lähmung, welche langsam und stetig vorwärtsschreitet, oder durch andere körperliche Verluste, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind und sich persönlich damit auseinandersetzen müssen.
«Einigen Klienten ist unser Besuch eine sehr willkommene Abwechslung, da wir bei manchen der einzige Kontakt am Tag sind. Andere freuen sich, wenn die Spitex kommt, genauso wie wenn die Spitex wieder geht. In solchen Situationen kommt unser diskretes Verhalten sehr gut an.» Als unbezahlbaren Lohn für ihre Bemühungen bezeichnet sie die Dankbarkeit der Klientinnen und Klienten und deren Angehörigen: «Am Abend nachhause zu gehen und das Gefühl dabei zu spüren, etwas Gutes getan zu haben, ist sehr befriedigend.»
Doch der Spitexalltag hat auch andere Seiten: Die Arbeitszeiten sind unregelmässig, das heisst arbeiten auch am Samstag/Sonntag, an Feiertagen und meistens in geteilten Diensten, vormittags bis mittags und abends bis 21 oder 22 Uhr. Das bedeutet «gegen den Strom zu schwimmen»: Wenn Kolleginnen, Kollegen und ihre Familienangehörigen frei haben, arbeitet Frau Abate, und wenn sie frei hat, arbeiten die anderen.
Auch das Arbeiten im Team bedeutet ihr viel. Bezüglich gute Zusammenarbeit erwähnt sie immer wieder die Solidarität:
«Falls krankheitshalber jemand ersetzt werden muss, hat kürzlich eine Kollegin gemeint, dass sie arbeiten komme, weil sie die Klienten und ihre Teamkolleginnen nicht im Stich lassen wolle. Solche Arbeitskolleginnen finde ich sehr wertvoll und ein solches Mitdenken sollte gelobt und verdankt werden.»
Besorgt zeigt sich Frau Abate um die Zu- kunft der Pflege: «Der zukünftige Bedarf an Pflegepersonal ist nicht gesichert, im Besonderen in der Langzeitpflege. Dabei hat es so viele Frauen und etliche Männer, die über gute Voraussetzungen verfügen, um diese Tätigkeiten auszuführen. Nur muss man diese sehen, ihre Arbeit respektieren und würdigen. Was heisst: ein fairer Gesamtarbeitsvertrag und somit ansprechende Arbeitszeitregelungen, Teambesetzungen, die die Qualität und Quantität der Mitarbeiten- den gewährleisten, und last but not least eine faire Entlöhnung, was vor allem die meist von Frauen geleistete Arbeit aufwerten wird», sagt Frau Abate und fügt hinzu: «Ich wünsche allen in sozialen Tätigkeiten und besonders meinen Teamkolleginnen und meinen Vorgesetzten, Anna Kloczkowska und Avni Jakurti, die erforderliche Kraft sowie Liebe, Ver- ständnis und Weitsicht im Berufsalltag. Möge die nötige Musse und Erholung zum Auftanken in der persönlichen Frei- zeit immer wieder eingeplant werden, auf dass die Liebe zu den auf Hilfe angewiesenen Menschen nicht erlischt und wir nicht im wahrsten Sinne des Wortes ausbrennen. Ich möchte die Freude und den Spass tagtäglich in der Begegnung mit unseren Betagten einfliessen lassen und bewahren.»