Sorgende Gemeinschaft - so einfach und so wertvoll
Zwölf Gemeinden des Oberaargaus Ost entwickelten im vergangenen Jahr ein regionales Altersleitbild. Das Resultat erfreut nicht nur die politischen Behörden, auch die Betroffenen und Angehörigen sowie die professionellen Dienstleistenden befürworten das angestrebte vereinte Handeln. Eine wichtige Grundlage für die vertiefte Diskussion einer Vision bildeten die alterspolitischen Kernziele des Kantons Bern: Selbständigkeit und Selbsthilfe, Wahlfreiheit und Kontinuität, Solidarität, Bürgernähe und Vernetzung. Gemeinsam sollen vorab Rahmenbedingungen geschaffen werden, die unseren Seniorinnen und Senioren so lange wie möglich ihre unabhängige, selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. «Ambulant» vor «stationär» heisst der strategische Grundsatz.
Das Altersleitbild der Region Oberaargau Ost, welches auf den Homepages der Gemeinden herunterzuladen oder als Druckversion auf den Gemeindeverwaltungen zu beziehen ist, bildet einen Leitfaden. Er dient der Förderung einer guten Zusammenarbeit der beteiligten Gemeinden und aller Dienstleistenden im Altersbereich. Bestehende Lücken in der Altersversorgung werden aufgezeigt und Doppelspurigkeiten verhindert. Leitsätze und Zielsetzungen bilden die Grundlagen für eine Reihe von Massnahmen, die sich auf die aktuellen Herausforderungen der Alterspolitik ausrichten. Es wird allerdings in der Verantwortung von uns allen bleiben, die empfohlenen Massnahmen umzusetzen oder sich an gemeinsamen Projekten zu beteiligen.
Im Vorwort des Altersleitbildes Oberaargau Ost ist das Ziel der heutigen Alterspolitik erwähnt, «Sorgende Gemeinschaften» entstehen zu lassen, z. B. durch geschickte Raum- und Versorgungsplanung, Quartiergestaltung, Sensibilisierung zur Freiwilligenarbeit und Gewährleisten der Ver- sorgungsketten. Ein neuer Begriff hält in unserer Region Einzug, der nichts anderes aussagen will, als dass die Sorge um ande- re Menschen in die Gemeinschaft gehört. Sich um andere zu kümmern ist demnach die Aufgabe einer ganzen Gemeinschaft.
In Anbetracht der demografischen Entwicklung – der Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter steht bevor – kann der künftige Sorge-Bedarf nicht mehr allein durch professionelle Institutionen ge- deckt werden. Die direkte Hilfe muss zum Gemeinschaftswerk von Familien, Nachbarschaften, professionellen Dienstleistenden, bürgerschaftlichem Engagement und staatlichen Institutionen werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Wohlergehen von Menschen mit Unterstützungsbedarf das Ergebnis einer Zusammenarbeit unterschiedlicher Systeme ist. Dieses mischt sich sowohl auf der individuellen als auch auf der lokalen Ebene, immer wieder dem Bedarf entsprechend, neu. «Sorgende Gemeinschaften» können lokal je nach Bedarf und Priorität verschiedene, über die gesamte Lebens – spanne dauernde Themen zum Ausgangs- punkt nehmen: Alter, Sterben, chronische Krankheiten, Demenz, Behinderung, Migration, Kinder, alleinerziehende Elternteile etc. Weiter ist auch denkbar, dass «Sorgende Gemeinschaften» auch Nachhaltigkeit und den Erhalt der natürlichen Umwelt in ihren Aktivitäten berück- sichtigen. Im Verständnis «Sorgender Gemeinschaften» bedeutet «Gemeinschaft» mehr als die Gemeinde als Verwaltungseinheit. Eine Gemeinschaft zeichnet sich aus durch ein «Wir-Gefühl», durch einen gemeinsamen Sinn- und Wertehorizont, eine Beziehungskultur und ist verbunden mit Verantwortungsübernahme.
An zwei Nachmittagsveranstaltungen, an denen sich viele Dienstleistende aus dem Altersbereich, aber auch interessierte Betroffene und Gemeindevertretungen mit der Umsetzung des Altersleitbildes Oberaargau Ost befassten, wurde nun beschlossen, den Weg zur «Sorgenden Gemeinschaft» beschreiten zu wollen. Das Netzwerk will mit einer Reihe von Pro- jekten die organisationsübergreifende Zu- sammenarbeit und die Freiwilligenarbeit stärken. In einer Zeit, in der die Individualität den Gemeinschaftssinn zu verdrängen droht, soll die Idee der «Sorgenden Gemeinschaft» neben der Stärkung des Individuums auch zum Erhalt unserer gesellschaftlichen Werte führen.
Auch wenn dies alles etwas akademisch tönen mag, so dürfen diesen Worten durchaus Taten folgen. Mit der Begleitung einer gehbehinderten Nachbarin zum Einkauf, mit dem Verständnis für den Arbeitnehmer, der seine kranken Kinder in seiner Arbeitszeit betreuen muss, oder mit dem regelmässigen Engagement in einem Vereinsvorstand wird Mann oder Frau unmittelbar Teil der «Sorgenden Gemeinschaft». So einfach und so wertvoll.